London Walks

Behind Closed Doors

Was sich wohl hinten den verschlossenen Türen verbirgt? Der Guide dieses geheimnisvoll anmutenden London Walks ist Tom, ein (nicht mehr praktizierender) Anwalt und Mitglied der Royal Geographical Society. Allein seine sehr amüsante Art zu erzählen, macht diesen zweistündigen Spaziergang hinter die verschlossenen Türen außergewöhnlich.

imm001_1-76Los geht’s am Covent Garden. Nach eine allgemeinen Einführung in Sprachkunde und die Entstehung des überdachten Marktes “Covent Garden” nimmt Tom uns mit zu einem “Experiment”. Da der Besuch des Raums, in dem die Titanic konstruiert wurde, nicht möglich ist (die Ausstellung wurde in einen anderen Teil der Stadt verlegt – und wer will schon einen leeres Zimmer angucken?), gehen wir mit unserer Riesengruppe von 30 Leuten direkt in das weiße Eckgebäude.

Über der Drehtür wird man bereits mit Opernklängen begrüßt. Tom geht mit uns geradewegs in die erste Etage und wartet unsere Reaktion ab, als wir die Floral Hall des Royal Opera House von London betreten. Die Glas-, Spiegel- und Stahlkonstruktion wirkt schon beeindruckend. Vor allem erwartet man eine solch schöne Halle nicht hinter der schmucklosen Fassade der Oper.

Gegenüber von der steht ein Gebäude zum Verkauf, das früher als Wandsworth Prison bekannt war und in dem Oscar Wilde  vorübergehend einsaß, bevor er nach Frankreich ging.

Wir gehen quer durch “Theatre Land” – vorbei am Theatre Royal Drury Lane, der Parfümerie, die Prince Charles beliefert bis hinunter zum Wellington Pub direkt neben dem Lyceum Theatre in dem seit Jahren “The Lion King” gegeben wird.

Im Affenzahn kreuzen wir eine der Hauptschlagadern Londons: die Straße, die bizarrerweise STRAND heißt und vom Trafalgar Square vorbei an den Royal Courts of Justice bis hin zu St. Paul’s Cathedral verläuft. Tom erläutert den Engländern, dass ‘Strand’ Beach bedeutet. Auf meine Frage, wo genau dieser Straßenname seine Wurzeln hat, muss er passen. Ihm fällt nur ein, dass Strand ja früher direkt am Ufer der Themse verlief – bevor die ganzen Häuser und Paläste zwischen Straße und Fluß gebaut wurden. Meine Vermutung ist, dass es sich um ein germanisches Wort handelt, denn die romanischen Sprachen haben mit Playa, Plagne doch deutlich unterschiedliche Worte, um einen Sandstrand zu bezeichnen. (Hinweise hierzu werden dankend entgegen genommen – ich hab dazu noch nicht wirklich was herausfinden können).

imm003_5-84Auf der der Themse zugewandten Straßenseite betreten wir den Innenhof des Somerset House. Der Sommerresidenz der englischen Könige, die aber schon seit Jahrzehnten keine royalen Gäste mehr beherbergt hat.

Aber Tom möchte uns nicht nur die Architektur diesen weißen Sandsteinbaus zeigen und uns den Fontänen-gespickten Innenhof zeigen. Nein, vielmehr hat er ein ganz spezielles Ziel und dafür gehen wir direkt in die Seaman’s Hall am Kopfende des Gebäudes.

In der Seaman’s Hall saß lange Jahre die Marine. In der ruhigen Eingangshalle zeugen Ölgemälde von den großen Heden der Seefahrernation England.

Durch einen schmalen Gang führt uns Tom zu einer außergewöhnlichen Treppenkonstruktion – die Nelson’s Stairs. Zwei Treppen links und rechts an den Wänden des ovalen Raumes führen auf einer Zwischenebene zusammen. Von dort geht es über eine Brücke in der Büro des Oberkommandierenden. Durch die Glaskuppel bleibt dieses “Treppenhaus” immer hell.

Die gesamte Konstruktion diente natürlich der Einschüchterung der einfachen Seemänner, die in dem Büro ihres Befehlshabers Auszeichnungen oder Beförderungen erhalten haben. Jemand, der sein ganz Leben auf einem Schiff gedient hat und kaum einen Fuß auf festen Boden gesetzt hat, geschweige denn in einem Gebäude gearbeitet hat, wird durch diese ungewöhnliche Konstruktion ganz sicher in Erstaunen versetzt.

imm004_6-83Wieder geht es im Gänsemarsch an den Strand zurück und weiter Richtung Osten. Dort, wo Aldwych den Strand kreuzt (bevor dieser zur weltbekannten Fleet Street wird), steht eine kleine (von außen eher unscheinbare) Gedächtniskirche der Royal Air Force.

Kaum betritt man diesen Ort der Ruhe weiß man erst die Bedeutung dieser Worte zu schätzen. Der pulsierende Straßenlärm der Metropole London ist mit einem Mal wie ausgeschaltet. Man hört absolut nichts mehr.

Ein wunderschöner Altar und eine für so eine kleine Kirche beeindruckende Orgel an der gegenüber liegenden Seite geben der in schwarzem Holz gehaltenen Kirche St. Clement Danes ein ganz besonderes Flair.

Alles Wissenswerte zu der Geschichte dieses Gotteshauses kann man einer großen Gedenktafel im Eingangsbereich entnehmen. Darüber hinaus zeugen die ringsum im Kirchenschiff verteilten Bücher von den zahllosen Opfern der Kriege, in die das Vereinigte Königreich verwickelt war.

Lauter liebevolle Kleinigkeiten, wie die wundervoll bestickten Kniekissen in den vorderen Bankreihen oder das Kinderlied, das in St. Clement Danes immer zur vollen Stunde gespielt wird, runden das Bild dieser heimeligen Kirche ab.

Zunächst gehen wir um die Kirche herum und stehen dann schon vor den Royal Courts of Justice – dem Ziel dieser Exkursion. Doch bevor uns der Anwalt Tom in die Geheimnisse des englischen Rechtswesens einweiht, geht er mit uns noch schnell in Henrys Room – schräg gegenüber der weißen Giebeltürme von Old Bailey.

imm006_8-84Der Raum ist original aus dem 17. Jahrhundert erhalten. Wie in der Einleitung zu diesem Walk steht: Schon Shakespeare hätte hier ein- und ausgehen können. Aber Moment, hat der nicht 200 Jahre vorher gelebt? Nun ja, auf solche Kleinigkeiten kann man im werbe-Business keine Rücksicht nehmen.

Neben zahlreichen Kleinoden wie Originalbriefen und -fotos hinterlässt der kleine, knapp 40 m² große Raum durch seine liebevollen Wappeneinarbeitung in den Bleiglasfenstern. Auch die beiden Weltkriege konnten diesem künstlerisch wertvollen “Fenstern” nichts anhaben.

Der Dienstag Vormittag endet gegen 20 nach eins in den Royal Courts of Justice. Zusammen mit allen seinen “Schäfchen” betritt Tom das Angst einflössende Gebäude.

Allerdings gebe ich an dieser Stelle auf, da ich mit meinem kleinen Fotoapparat dort nicht hinein darf. Und die Wachmänner dort sind sehr streng. Wohl noch nix von Foto-Handys gehört, was?

Macht aber gar nichts, denn ich habe das ehrwürdige Interieur des Gerichtsgebäudes ja schon einige Monate zuvor auf eigene Faust entdeckt. Also kreuze ich wieder die Straße und decke mich bei Twining’s lieber mit neuen Teevorräten ein.