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Einmal UK und zurück

6 Tage, 5 Länder, 2.000 km

Schon 2020 hatten wir geplant, am Goodwood Member’s Meeting – damals noch in Kombination mit Simply Aston Martin in Beaulieu – teilzunehmen. Doch die Corona-Pandemie durchkreuzte unsere Pläne, dann zog Enya bei uns ein und letztes Jahr kam auch noch Ginger dazu…

Doch vor ein paar Tagen war es endlich soweit! Zwar ging sich in diesem Jahr die Verbindung mit Simply Aston Martin nicht aus, aber wir haben eine wundervolle Urlaubsunterkunft für Enya und Ginger gefunden und das erste Mal seit Juli 2020 einen Zweibeiner-Urlaub angetreten.

Der Reiseplan war nicht ohne:

  • Donnerstag: ca. 675 km von Lüneburg nach Brügge in Belgien
  • Freitag: ca. 385 km von Brügge über Calais (Frankreich) durch den Eurotunnel mit Zwischenstops in Ashford und Petworth nach Portsmouth (UK)
  • Samstag: ca. 66 km (hin und zurück) nach Goodwood
  • Sonntag: ca. 98 km von Portsmouth mit langem Zwischenstop in Goodwood nach Rotherwick
  • Montag: ca. 448 km von Rotherwick über Weybridge und Folkestone durch den Eurotunnel bis nach Antwerpen (BE)
  • Dienstag: ca. 568 km von Antwerpen zurück nach Lüneburg

Man kann sowas natürlich entspannt planen und viele Sightseeing-Stops einlegen (bspw. in Brügge, Dunkerque, Calais, Dover / Seven Sisters, Canterbury, Leeds, Brighton, Portsmouth, Isle of Wight, Stonehenge, Kew Gardens, Antwerpen usw.). Aber das hätte sicher einige Tage länger gebraucht und war auch nicht der Fokus dieses Trips. Diesmal ging nur und ausschließlich um Autos!

In Brügge trafen wir Freitagmorgen auf unsere Mitreisenden, mit denen wir die nächsten Tage in mehr oder weniger zusammenhängender Kolonne die fünf Länder durchfahren sind.

PS-technisch spannend wurde es zum ersten Mal in einer sehr idyllisch gelegenen Mini-Tuning-Werkstatt: Lauter kleine Flitzer, mehr oder weniger aufgemotzt und mit viel zu viel PS für ihre Gewichtsklasse, wenn man mich fragt. 😉 Aber die Männer waren begeistert!

Am Samstag in Goodwood ging es dann aber ans Eingemachte: Die Qualifikationen für 14 (!) verschiedene Rennen und Demonstrationen unterschiedlichster motorisierter Gefährte – von Motorrädern über Mustangs & Can-Ams bis hin zu F1-Boliden und Shadows war für jeden Geschmack und jedes Gehör etwas dabei.
Ein Shadow ist übrigens ein Rennwagen, der die Mindestkriterien 4 Reifen, 1 Lenkrad und 1 Motor erfüllen muss. Ansonsten sind der Phantasie der Autobauer in dieser Rennklasse keinerlei Grenzen gesetzt.

Auch das Rahmenprogramm mit einem schicken Frühstück im Schloss des 11. Duke of Richmond, dem Eigentümer der gesamten Rennstrecke nebst umgebender Ländereien, unzähligen ausgestellten Fahrzeugen, einer hochrangigen Auto-Auktion sowie Shoppingmöglichkeiten bis die Kreditkarte qualmt, wurden hier keine Wünsche offen gelassen.

Bei solch einer Open Air Veranstaltung haben sich natürlich auch Grillbirne und 50 Shades of Krebs wieder aus der Deckung gewagt. Den Anblick ersparen wir Euch, aber wir haben einmal mehr zum Amusement unserer Umgebung beigetragen. 🙂

Am Sonntag wurden mehr als 10 Trophys mit klangvollen Namen wie Hailwood Trophy (Motorräder), S.F. Edge Trophy (Edwardian Cars), Gordon Spice Trophy (Touring Cars aus den 1970ern und 1980ern), Parnell Cup (Grand-Prix-Teilnehmerder 1930er bis 1950er), Surtees Trophy (Can-Ams, GT40s), Ken Miles Cup (30 (!) Ford Mustang) und die Graham Hill Trophy (GT Cars der frühen 1960er Jahre) dann ausgefahren.
Man sollte es nicht glauben: Obwohl viele der Autos Liebhaberstücke oder gar Unikate waren, schenkten sich die Fahrer nichts. Es ging hoch her und von unserem Platz direkt am Ausgang der Schikane eingangs der Start-/Zielgeraden hatten wir einen perfekten Blick. Alle Ergebnisse und Videos von jedem Rennen sind vom Goodwood Team sehr ansprechend aufbereitet worden.

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Die Höhepunkte der Rennen sind in diesem Video sehr schön zusammengefasst, da reichen unsere eigenen Aufnahmen natürlich nicht ran.

 

Besondere Highlights waren unsere “Nummerngirls”, die mit ordentlich PS zwischen den Rennen die Strecke abfuhren. Auch cool waren die 7 Autos mit dem größten Hubraum. 28,4 l (siehe Foto) sind wirklich eine Hausnummer! Mein Herz hat aber besonders doll geklopft als Gerhard Berger am Samstag in seinem 1989er Ferrari um die Strecke fuhr…

Gekrönt wurde der Sonntag durch eine standesgemäße, wirklich sehr englische Unterkunft in Tylney Hall in Rotherwick. Allein die Zufahrt vorbei an Mammutbäumen und grünen Golfwiesen war schon beeindruckend. Tylney’s Park- und Gartenanlagen sind ein Traum! Doch auch drinnen hat das Hotel einiges zu bieten. Mein Favorit: die Bar in der Bibliothek! Doch auch deren Festsaal mit seinem funktionstüchtigen (!) Marmorkamin und die Suite, die sich der ehemalige Eigentümer sehr modern und hell hergerichtet hat, fügten sich perfekt ins Gesamtbild dieses Herrenhauses.

Natürlich – wie sollte es bei mir anders sein – habe ich insbesondere die Gärten bewundert und in Bildform festgehalten. Leider habe ich keines der süßen Muntjaks erwischt, die dort neben Kaninchen, Fasanen und “normalen” Rehen eine Heimat gefunden haben.

Nach einer erholsamen Nacht auf oder besser in kuschelig weichen Matratzen und einem reichhaltigen Frühstück ging es wieder auf die Straße. Ziel: das Brooklands Museum, der Birthplace of British Motorsport & Aviation.

Was soll ich sagen? Wir hatten noch nie davon gehört und waren sehr beeindruckt. Die erste Rennstrecke der Welt ist hier noch zu sehen, es stehen zahlreiche Flugzeuge auf dem Gelände, u.a. auch eine Concorde, die Autos sind ausnahmslos noch vollends funktionstüchtig und Show-Rennen gibts dort auch noch regelmäßig.

Neben der umfassenden Sammlung historischer Fahrräder, Motorräder, Autos, Busse und Flugzeuge war es aber besonders die charmante Führung von Vice President Allan Winn, der diesen Besuch unvergesslich machte. Sein Wissen über Brooklands scheint unerschöpflich, zu jedem noch so kleinen Ausstellungsstück hatte er eine Geschichte parat. Sei es die Vickers Wellington Mk1A, die aus den Untiefen des Loch Ness gerettet wurde, nachdem sie dort im 2. Weltkrieg auf einem Erkundungsflug abstürzte, oder der 24l, 12-Zylinder Napier-Railton, den Allan selbst gefahren ist.

Ganz zu schweigen vom einzigen noch existierenden Concorde-Simulator (mit dem wir “mitfliegen” durften) oder dem McLaren, der in 260 Stunden aus gut 285.000 Legosteinen originalgetreu nachgebaut wurde.

Oh, und sowas Unglaubliches wie die Stratosphären-Kammer von 1947 hatten wir überhaupt noch nie gesehen. Ingenieure sind schon wirklich sehr spezielle und wahnsinnig schlaue, experimentierfreudige und mutige Menschen.

Im Brooklands Museum trennten sich die Wege unserer Reisegruppe, da einige schon direkt losfuhren, andere noch ein Auto in London abholten und wir noch etwas mehr Zeit im Museum verbrachten.

Genauso wie die Hinfahrt verlief auch die Rückfahrt durch den Eurotunnel reibungslos – inklusive “Food-Shopping” in der Lounge wie zu besten Lufthansa-Zeiten. Das ist wirklich perfekt organisiert und wenn man nicht im Doppelstock-Wagon fährt, kommt auch keine Klaustrophobie auf.  Die 35 Minuten schaukelnde Fahrt unter der Nordsee gingen vorbei wie im Flug.

Nach zwei weiteren Stunden Fahrt durch sehr wechselhaftes Wetter kamen wir an unserem letzten Zwischenstop in Antwerpen an. Das Hotel ist super und die Aussicht beeindruckend!

Am nächsten Morgen gab es noch ein gemeinsames Abschiedsfrühstück mit den Nachzüglern und dann ging es los auf die letzten knapp 700 km zurück nach Hause, die wir ohne große Verzögerungen hinter uns brachten und somit schon nachmittags unsere Familie wieder komplett war.

Was bleibt von diesem Abenteuer?

Durch den Eurotunnel zu fahren, ist überhaupt nicht schlimm und eine sehr angenehme Art, mit viel Gepäck zu reisen. Doch das Goodwood Members’ Meeting bleibt für uns eine einmalige Erfahrung. Andere Veranstaltungen auf dem Gelände wie bspw. Goodwoof oder das Revival scheinen hingegen durchaus spannend zu sein und etwas besser zu uns zu passen. Man kann in England immer noch hervorragend indisch essen gehen (so geschehen am Freitag in Portsmouth), die Pubkultur ist auch auf dem Land einfach wunderbar und englische Herrenhäuser haben ihren ganz besonderen Charme, dem aber sicherlich nicht jeder erliegt. 😉

Mein ganz persönliches Highlight aus unserer Gruppe ist folgendes Zitat, als ein Babyboomer zwei Millennials Schwarz-Weiß-Fernsehen erklärte:

Schwarz-weiß ist wie bunt, bloß mit zwei Farben.

 

Besonders vermisst haben wir unsere Mädels übrigens beim Anblick dieser Schafherde, die von einem Australian Shepherd lehrbuchmäßig in Form gebracht wurde…